Neu im Programm: CC0

Bei O’Reillys Emerging Technology Conference hat Joi Ito letzte Woche ein neues Werkzeug in der Palette von Creative Commons vorgestellt: Es nennt sich “CC0” (sprich “CC zero”) und ersetzt grundsätzlich die manchen vielleicht bekannt gewesene “Public Domain Dedication and Certification”.

Die Idee dahinter ist, eine Möglichkeit zur völligen Aufgabe aller eigenen Schutzrechte an einem bestimmten Inhalt zu schaffen. Wie bei den 6 Kernlizenzen von CC auch, wird bei CC0 eine privatrechtliche Erklärung zur Lockerung des gesetzlichen Standardschutzes genutzt. Im Fall von CC0 wird der Schutz auf Null gebracht und dadurch vorzeitig der Zustand hergestellt, der eintritt, wenn der gesetzliche Schutz durch Zeitablauf ausläuft.  Im deutschen Recht nennt sich dieser Zustand Gemeinfreiheit und tritt bei Werken im Sinne des Urheberrechtsgesetzes 70 Jahre nach dem Tod des Autors ein (bei anderen Schutzgegenständen auch schon früher). In der anglo-amerikanischen Rechtstradition wird der Zustand der Gemeinfreiheit über die Gesamtheit aller gemeinfreien Werke benannt, die so genannte “Public Domain”. Wenn ein Werk in der Public Domain ist, ist es gemeinfrei.

Die frühere Public Domain Dedication bleibt weiter verfügbar, hat aber einige Schwachstellen und ist zudem ganz strikt am amerikanischen Recht ausgerichtet. Daher wurde seit 2007 an einem Nachfolger gearbeitet, der mit CC0 nun da ist. Bei seiner Entwicklung wurden die verschiedenen CC-Länderprojekte mit einbezogen und es wurde versucht, ein weltweit einsetzbares Werkzeug zu schaffen. Die Public Domain Dedication wird derweil weiterentwickelt zu einem Hilfmittel zur Markierung von Inhalten, die bereits anderweitig gemeinfrei geworden oder es schon immer gewesen sind. Gerade die mangelnde Erkennbarkeit des Status’ eines Werkes oder anderen Inhaltes verhindert oft seine Weiterverwendung.

CC0 besteht aus zwei Erklärungen: In der ersten erklärt man verbindlich, dass man Inhaber aller urheberrechtlichen Schutzrechte und Datenbankschutzrechte am betreffenden Schutzgegenstand ist, in der zweiten, dass man auf diese Schutzrechte und ihre Durchsetzung allumfassend verzichtet. Das neue Instrument ist im Ergebnis auch und gerade für den Wissenschaftsbetrieb interessant, weil es dort in den meisten Fällen weniger um Urheber- als um Datenbankenschutzrechte geht, die allzu häufig verhindern, dass die richtigen Wissenschaftler zur richtigen Zeit an die richtigen Daten herankommen. Rechtliche Hürden bremsen die Wissenschaft auf diese Weise nicht selten aus. Es gibt dem entsprechend auch schon erste Plattformen aus dem wissenschaftlichen Bereich, die CC0 in ihre Frontends integriert haben, z.B. das Tranche Network und das Personal Genome Project.

Die Nützlichkeit von CC0 wird sich in der nächsten Zeit erweisen müssen. Vor dem Hintergrund des deutschen Rechts gibt es ein paar Fußangeln: CC0 will eine unwiderrufliche Änderung des Schutzumfangs erzeugen, was aber nach deutschem Recht zumindest bzgl. der stark personal geprägten Rechte des Urhebers allenfalls sehr aufwendig machbar ist. Ob eine schlichte Kennzeichnung auf Webseiten und in den Metadaten der Inhalte insoweit ausreicht, ist hierzulande gerichtlich noch nicht geklärt. Auch die Frage, wie haltbar die Unwiderruflichkeit dann letztendlich ist, ist offen. Für den Fall, dass nationale Regelungen eine tatsächliche Aufgabe von Rechten gar nicht zulassen (wie bei uns bzgl. des Urheberpersönlichkeitsrechts etwa), sieht CC0 als Notnagel eine entsprechend weitreichende unbefristete Lizenz für jedermann vor. Das entspricht also einer CC-Lizenz ohne Bedingungen, ist aber ebenso von der Unklarheit in Sachen Unwiderruflichkeit betroffen. Ganz allgemein ist zu beachten, dass ein Tool wie CC0 aber auch unter amerikanischem Recht nicht die Persönlichkeitsrechte Dritter (z.B. abgebildeter Personen auf einem Foto) oder registrierte Schutzrechte wie Patente und dergleichen eliminieren kann oder will. Weitere Infos gibt es auch auf der entsprechenden FAQ-Seite bei CC.org.

(Hinweis: Das deutsche CC-Projekt sucht noch Freiwillige, möglichst mit Erfahrung/Ausbildung im Bereich Immaterialgüterrechte, die bei der sprachlichen Übersetzung der neuen CC.org-Seiten helfen wollen. Bitte einfach Mail an die Projektleitung schreiben)

14 thoughts on “Neu im Programm: CC0”

  1. Ist zwar ein interessanter Ansatz, dass man seine Rechte an die Allgemeinheit abtreten kann, aber wer ist dann haftbar, wenn aufgrund schlechter/fehlerhafter Forschungsergebnisse, die Allgemeingut und kein Patent oder Besitz eines Anderen sind, ernstzunehmende Folgeschäden eintreten?

    Jeder kann so seine Unzulänglichkeiten in ein rechtliches Niemandsland abschieben und seinen Unfug einfach raushauen, ohne über Konsequenzen nachdenken zu müssen.

    Der Druck auf die Forscher stichhaltige Ergebnisse zu liefern, wird wegbrechen. Ich bezweifel, dass der Menschheit in einer Welt voller Korruption und Profitgier damit geholfen ist.

    Zudem muss jeder Forscher die Ergebnisse eines Anderen, die er für seine Arbeit verwenden möchte, erstmal validieren, da man sich auf niemanden mehr berufen kann. Ich halte das eher für eine Innovationsbremse.

    Der in der Forschung weit verbreiteten Abschreiberei wird damit auch kein Einhalt geboten.

  2. Ich kann das Problem so nicht erkennen. Wissen mit anderen zu teilen, es frei zugänglich zu machen, kann einfach nicht schlecht sein. Natürlich muss jeder der dieses Wissen nutzt sich der Herkunft klar sein, validieren ist auch möglich in dem man Kontakt zum Urheber aufnimmt und die Konsequenzen für die Benutzung sollte man sowieso in eigener Verantwortung abwägen.

  3. Validierung der Daten und Quellenbewertung wird den Wissenschaftlern durch nichts abgenommen, auch nicht durch CC0. Sie kommen nur erstmal überhaupt an mehr Material dran. M.E. könnte eher die Menge an verfügbar werdenden Messreihen irgendwann ein Problem werden, aber vielleicht werden dann auch für die Sichtung noch größerer Datenmengen neue Tools entwickelt werden.

  4. Wie so oft bei CC muss die rechtliche Wirksamkeit vor Gericht getestet werden. Das ist eigentlich bei allen neuen Gesetzen so. Könnte manch einen verunsichern, das weiß ich. Aber wer immer mit CC arbeitet betritt Neuland, was das Urheberrecht betrifft.

    Gruß
    Sepia, The Squid

  5. Hi;
    denke, dass diese Lizenz der Wissenschaft durchaus helfen kann, weil sie dazu beitragen kann, die Arbeitslast und damit auch die Kosten stärker zu verteilen.

    Aber davon ab, bietet diese Lizenz ja auch in anderen Bereichen hoch interessante Möglichkeiten. Bislang habe ich immer mit einer CC-by-no commercial-sa Lizenz gearbeitet, wenn ich damit keine Rechte Dritter verletzt habe. Aber nun kann ich, zumindest im Hinblick auf einige meiner Fotos, die ich unter http://www.bjoernkrausfotografie.wordpress.com veröffentlicht habe, auch über eine noch weitergehende Freigabe nachdenken. Werde dies aber auf jeden Fall in Ruhe entscheiden, da ich mir im Moment nicht so ganz sicher bin.

    Denke aber auf jeden Fall, dass wir als Menschheit insgesamt von dieser Lizenz nur profitieren können. Zumal der Gemeinbesitz durch die vielen Urheberrechtsverschäfungen und -verlängerungen im Kampf gegen die Piraterie in den letzten Jahren doch sehr stark geschwächt wurde.

    MfG;
    Björn

Leave a Reply

Your email address will not be published.